04.09.2016

Mein lächerlich schlechtes Gewissen

Ich habe ewig überlegt, ob ich mein lächerlich schlechtes Gewissen hier mal zu Sprache bringe. Ich
kenne es bereits aus meinem Freundeskreis, dafür belächelt zu werden. Doch heute hatte ich ein kleines Schlüsselerlebnis, das mich zwang, darüber mal wieder etwas genauer nachzudenken. Und da dachte ich mir, wenn ich mir schon den Kopf darüber zerbreche, kann ich es auch gleich aufschreiben. Ich kann schon mal vorweg nehmen, dass ich zu dem Schluss gekommen bin: Es durchaus angebracht ist mich wegen meines lächerlichen, vollkommen überzogenen, bescheuerten und unnötigen schlechten Gewissens zu belächeln. Im gleichen Maße stehe ich allerdings auch dazu und weiß, dass es mich vor den schlimmsten Fehlern, die man als Hundehalter machen kann, bewahrt.

Was ist also das Problem und warum denke ich gerade heute darüber nach?

Ich war heute auf dem Sommerfest im Tierheim Aachen. Es war schön, es gab vegane Leckerein, viele Infostände und eine Auktion. Während der Auktion bemerkte ich einen Schäferhund in seinem Zwinger. Es war offensichtlich schon sehr alt, er winselte und konnte seine Hinterbeine kaum noch bewegen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppte er seinen gezeichneten Körper über die kargen Fließen. Einen Moment lang, war alles um mich herum wie auf stumm geschaltet. Ich betrachtete diesen Hund und durch meinen Kopf flogen zahllose Gedanken.

Wie kann man seinen alten Hund einfach im Stich lassen?
Sitzt er vielleicht schon ewig hier und wurde als junger Hund einfach nicht mehr gewollt?
Wie alt mag er oder sie nur sein?
Wurde er wegen seiner Krankheit abgegeben?
Wie schrecklich einsam muss er sich fühlen?
Kann er überhaupt noch spazieren gehen?
Wird er hier sterben?


All diese Gedanken stimmten mich traurig. Und ich musste an Sparta und Emily denken, die  ohne
mich auf dem Sofa oder im Körbchen schliefen. Vielleicht motze Sparta auch gerade die Tür an, weil er ein Geräusch gehört hatte und hoffte, ich würde nach Hause kommen. Vielleicht vermissten sie mich oder es war ihnen ganz recht ihre Ruhe zu haben. Doch wenn ich mir vorstelle, wie das Leben dieses Hundes bisher ausgesehen haben mag, erscheinen all die Kleinigkeiten, wegen denen ich manchmal ein schlechtes Gewissen haben unsagbar lächerlich.

Nach der Arbeit noch eben in die Stadt, die Hunde zwei Stunden länger alleine lassen?
Heute mal nur 45 Minuten in den Wald, weil ich vom Fahrradfahren fertig bin?
Einfach mal ein Stück Gurke in den Napf, weil ich keine Zeit hatte was zu pürieren?
Abends noch mal weg und vom Schlafengehen ausnahmsweise mal nur eine Minirunde?
Nicht immer gleich die Welt ein bisschen schneller drehen, weil Sparta gerade langweilig ist?
Emily nicht noch 20 Minuten kraulen, obwohl sie so niedlich nach mir tatzt?

Ganz tief in meinem Inneren, weiß ich, die beiden haben ein wunderbares Leben. Doch darunter
versteckt sich immer dieser winzige Gedanke, dass es besser ginge. Es muss perfekt sein, weil sie genau das verdient haben. Als Sparta einzog, da wollte ich was zum kuschel, spazieren gehen, spielen, einen Kumpel, jemanden der mich zum Lachen bringt doch mehr als alles andere, wollte ich, dass er ein wunderbares Leben hat. Ein Leben, dass ihn vergessen lässt, wie es ist nachts zu frieren und nicht zu wissen, wann es das nächste Stück Brot gibt. Ich wollte, dass Emily irgendwann vergessen kann, dass ihr einmal so sehr wehgetan wurde, dass sie bei manchen Geräuschen vor Angst erstarrt. Ich sehe in die Augen des alten Schäferhundes und wünsche mir für ihn nichts mehr, als einen Menschen, der ihn alles Schlechte vergessen lässt. Ich lasse meinen Blick schweifen und sehe ungewollte Huskys, Mischlinge und einen Haufen Katzen, die von irgendwem vergessen wurden.

Ich weiß ich bin bescheuert, mein schlechtes Gewissen ist unnötig und vollkommen überzogen doch ich stehe dazu. Denn auch, wenn ich es manchmal übertreiben mag, mal einen Tag mehr auf dem Sofa oder im Garten verbringe, als auf einer geilen Party, weiß ich, was für ein Mensch ich bin. Wenn ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich doch noch eine halbe Stunde länger bei Freunden sitze, und es kaum erwarten kann, meine Monster zu schnappen und mit ihnen die Welt zu erobern, dann kann ich eines mit Sicherheit sagen: Ich werde meine Hunde nicht im Stich lassen, wenn sie alt sind, wenn sie krank werden oder ich ihretwegen nicht in den Urlaub fahren kann!

Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, es ist kein schönes Gefühl, doch es ist das beste schlechte Gefühl, dass ich kenne.





1 Kommentar:

  1. Ich verstehe welches schlechte Gewissen du meinst. Ich hab ab und an solch Gedanken. Dabei geht es unseren Vierbeinern so gut bei uns. Ja, sie müssen mal warten, aber sie haben immer Essen, immer Wärme, jemanden der sich um ihre Gesundheit kümmert, sie pflegt wenn sie krank sind und sie auf ihrem letzten Weg begleiten.

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